In kaum einem anderen Bereich waren die Belastungen und der Kummer im vergangenen Jahr so deutlich erkennbar wie bei der TelefonSeelsorge. Rund um die Uhr, 365 Tage pro Jahr, ist sie kostenlos erreichbar. Zum Jahreswechsel hat der Leiter der Bremer TelefonSeelsorge, Pastor Peter Brockmann, Bilanz gezogen und die Statistik 2022 vorgelegt: Bis Jahresende waren es in Bremen 10.728 Telefonate. Das sind zwar rund 9 Prozent weniger als im Jahr 2021. Doch die Steigerungsrate der Anrufe zu Beginn der Corona-Pandemie von 22,5 Prozent normalisiert sich nur langsam. Insofern bleibt die Zahl der Telefonate weiterhin auf einem sehr hohen Niveau.
Die Top-Themen sind Einsamkeit und Isolation mit 21,6 Prozent der Anrufe. Das ist auch nicht überraschend, sind doch 5.889 und damit 65,8 Prozent aller Anrufenden alleinlebend. Dicht gefolgt wird dieses Thema von Gesprächen über körperliches Befinden mit 20,7 Prozent und depressive Stimmung der Anrufenden mit 18,3 Prozent. 2671 Anrufende, 29,8 Prozent, gaben an, sie würden an einer psychischen Erkrankung leiden. In 672 Gesprächen spielten Suizid-Gedanken eine Rolle. Auch familiäre Beziehungen sind mit 15,4 Prozent oft Thema. Sonstiges seelisches Befinden, z.B. Stress und Erschöpfung war für 13,4 Prozent der Anrufenden ein wichtiges Thema.
„Im Austausch mit unseren ehrenamtlich Mitarbeitenden verfolgen wir die gesellschaftlichen Entwicklungen sehr aufmerksam, denn nur wenn wir verstehen, was die Menschen bewegt, können wir flexibel auf die Anliegen der Anruferinnen und Anrufer eingehen“, fasst Leiter Pastor Peter Brockmann, die Herausforderungen für die TelefonSeelsorge zusammen. „Die Veränderungen durch die Pandemie stehen nicht mehr so im Vordergrund. Dafür aber nach wie vor das Kernthema Einsamkeit und durch die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekrieges auch finanzielle oder sogar existenzielle Ängste.“ Gerade bei den Älteren mit geringen Renten und den Alleinerziehenden spielen die explodierenden Preise für Energie und die steigenden Lebenshaltungskosten eine große Rolle. "Wenn dann noch ohnehin vorhandene psychische oder familiäre Probleme hinzukommen oder Konflikte mit den Kindern, dann ist die Not groß“, so Brockmann weiter.
Auch die Ehrenamtlichen der TelefonSeelsorge stehen momentan unter Strom. „Deshalb ist es so wichtig, dass wir Ihnen die Möglichkeit geben, die Geschichten und Nöte hinter den Anrufen zu be- und zu verarbeiten", hebt Peter Brockmann hervor. „Angststörungen und Depressivität bis hin zu Suizidalität erleben die Kolleginnen und Kollegen derzeit in einer neuen Intensität. Das geht nicht spurlos an einem vorüber. Darum nehmen wir Supervision und Austausch sehr ernst."
Die TelefonSeelsorge Bremen hat 63 speziell geschulte ehrenamtlich Mitarbeitende, 51 Frauen und 12 Männer. Wer sich hier ehrenamtlich engagieren möchte, kann sich im Januar unter Telefon 0421/321618 oder telefonseelsorge[at]kirche-bremen.de noch zu einem Vorbereitungskurs anmelden.
Unter der Rufnummer 0800-111-0-111 ist die TelefonSeelsorge rund um die Uhr, auch an Feiertagen, erreichbar.