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Der Einsatz für Flüchtlinge ist eine Frage des Bekenntnisses
Interview mit Martin Engels, Moderator des Reformierten Bundes
reformiert-info: Zusammen mit dem rheinischen Präses Rekowski und dem hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Jung reisen Sie zu einem Solidaritätsbesuch nach Idomeni in Griechenland. Warum fahren Sie dorthin?
Martin Engels: Auf unserer gemeinsamen Reise geht es darum den Menschen in Idomeni unsere Solidarität deutlich zu zeigen. Im Vordergrund steht das Anteilnehmen an dem Leid und den Geschichten der Schutzsuchenden Menschen. Es geht darum den Helferinnen und Helfern den Rücken zu stärken. Wir werden keinen Grenzzaun-Tourismus betreiben, das ist mir sehr wichtig. Jeder Besuch in einer Krisenregion birgt diese Gefahr in sich.
Wir folgen der dringlichen Einladung, die die Griechisch Evangelische Kirche ausgesprochen hat. Bei dem jährlichen Treffen der europäischen Vertreterinnen und Vertreter der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen im März berichtete der Vertreter der griechischen Kirche von der Situation in seinem Land, der verzweifelten Not der schutzsuchenden Menschen in einem Land, das selbst die schwerste wirtschaftliche Krise durchläuft. Es ist gut biblisch, sich gegenseitig zu besuchen, sich beizustehen, sich gegenseitig zu stärken.
Unser Besuch ist ein Zeichen dafür, dass die Kirchen in Deutschland die Menschen dort nicht vergessen werden. Wir hören in direkten Begegnungen, was sie erleben und erzählen. Die Geschichten der Flüchtenden und Helfenden werden unseren Horizont verändern.
Das zeigt aber auch die Grenzen unseres kurzen Besuchs, die uns sehr bewusst sein müssen.
reformiert-info: Was erwarten Sie persönlich von dem Besuch?
Martin Engels: Ich glaube, dass mich die Begegnungen und die Gespräche mit den Menschen beeindrucken werden und mein Denken, Fühlen, Reden und Handeln beeinflussen werden Ich hoffe, dass alle, die wir dorthin reisen, verändert wiederkehren und dem Thema „Flüchtlinge in Griechenland“ eine persönliche Geschichte geben und es in unsere Kreise weitertragen können. Unser Besuch wird das Leid der Menschen in dem Lager nicht beenden können. Aber der Besuch wird für mich nicht folgenlos bleiben. Ich persönlich – und vermutlich auch die anderen Reisenden – werden die Frage mit nach Hause nehmen, ob wir schon das uns Mögliche bei allen bisherigen Anstrengungen getan haben.
reformiert-info: Am Montag haben uns die ersten Meldungen erreicht vom Abtransport von Menschen, die in Europa Asyl suchen, aus Griechenland in die Türkei, gleichzeitig mit der Ankunft von geflüchteten Syrern in Deutschland. „Für jeden aus Griechenland abgeschobenen Syrer soll ein Syrer aus der Türkei legal in der EU aufgenommen werden.“ Solche Sätze scheinen normal.
Martin Engels: Die Not der Menschen darf uns sprachlos, ja auch hilflos machen, aber wir dürfen nicht aufhören zu denken! Wir müssen unser Handeln von den hart erkämpften Grundrechten bestimmen lassen und uns von den Überzeugungen unseres Glaubens leiten lassen. Den „Türkeipakt“ der EU empfinde ich daher über die Maßen problematisch, weil er de facto das Menschenrecht auf Asyl, das ausschließlich in der Notsituation des Einzelnen begründet ist, außer Kraft setzt.
Dieser „Deal“ mit der Türkei ist bereits deutlich von vielen NGO‘s und Hilfsorganisationen kritisiert worden. Auch wir Kirchen müssen uns meiner Meinung nach klar dagegen positionieren. Es gibt nur wenige ethische Fragen, in denen uns die Bibel – in ihren beiden Testamenten auffallend einstimmig – ein so unmissverständliches Gebot Gottes vor Augen führt wie in dieser Frage.
Das vergangene Jahr hat auf erschreckende Weise gezeigt: Wir können die Not der Menschen nicht von uns wegschieben und uns im restlichen Europa eine heile Welt vormachen, während Tausende an den Stränden Griechenlands und Italiens ankommen oder noch riskantere Routen in Kauf nehmen. Man kann sich von der Verantwortung für die Menschen nicht freikaufen, in dem man andere Staaten dafür bezahlt.
reformiert-info: Wie positioniert sich der Reformierte Bund angesichts der Politik gegenüber Flüchtenden?
Martin Engels: Der Reformierte Bund hat sich auf seiner letzten Hauptversammlung im April 2015 – schon bevor die Zahl der Schutzsuchenden im Herbst dramatisch gestiegen ist – eindeutig positioniert: Wir haben uns gegen eine Abschottung der Europäischen Union ausgesprochen und einen klaren Standpunkt gegen eine Politik formuliert, die das Sterben von Menschen in Kauf nimmt und die Würde der Menschen auf der Flucht missachtet.
Anders ausgedrückt: Eine Kirche, die sich unter das Wort vom Kreuz Christi stellt, die weiß, wo sie in der Welt zu stehen hat: an der Seite derer, die heute ein Kreuz tragen, eine Kirche, die in das Halleluja des Ostermorgens einstimmt, die muss davon erzählen, dass die Logik von Gewalt und Tod nicht alternativlos ist.
Die Frage nach unserer Haltung gegenüber den Schutzsuchenden ist nicht nur eine politische Frage, sondern eine Frage des Bekenntnisses. Es ist „die gemeinsame Pflicht aller Frommen, unschuldig Bedrängten Schutz zu gewähren und dafür zu sorgen, dass nicht einfach das Recht des Stärkeren siege“. Das hat Calvin vor knapp 500 Jahren gesagt. Das bleibt aktuell.