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Johannes Calvin und die Frauen in Ehe, Familie, Kirchengemeinde und weltlichem Regiment
Zitate aus Calvins Bibelkommentaren, der Institutio und aus Briefen
Aber immerhin: Calvin verwies oft auf Frauen, wie die Prophetin Debora, die in Notzeiten das Wort ergriffen und gelehrt hatten. Junia nannte er selbstverständlich unter den Aposteln. Frauen in der Kirche das Predigen zu untersagen, war kein Kennzeichen der wahren Kirche, sondern nur ein „Mittelding“ im Leben der Gemeinde, den Gewohnheiten der Gesellschaft und der öffentlichen Schicklichkeit zugebilligt.
In der „natürlichen Ordnung“ der Ehe nannte Calvin den Mann zwar das Haupt der Frau, aber selbstverständlich waren sich Partnerin und Partner gegenseitig verpflichtet zum gemeinsamen Wohl.
In seiner Sicht auf Frauen in der Bibel nimmt Calvin offen wahr, was geschrieben steht. Er verschweigt auch nicht die Rolle von biblischen Frauen in Ämtern, die sie in Calvins Genf nicht regulär übernehmen durften.
Weibliche Bilder wie das der "Amme" und der "Henne" durchziehen Calvins Rede von Gott.
I. Die Frau und die Dienste / Ämter der Prophetie, des Predigens und des Lehrens
II. Gleichstellung vor Gott – Unterordnung der Frau in der Ehe
III Der „Sündenfall“: Adam ist nicht das „Opfer der Rache seiner Frau“
IV Frauen in der Urgemeinde, Kolleginnen des Apostel Paulus
V Eine König als Amme der Kirche: Königin Elisabeth von England (1558-1603)
VI Rede von Gott in weiblichen Metaphern
I. Die Frau und die Dienste / Ämter der Prophetie, des Predigens und des Lehrens
„Das Weib schweige in der Gemeinde!“ - „In Notzeiten mögen sich je nach Bedürfnis wohl Ausnahmen ergeben.“
1.Korinther 14,34 in der Auslegung Johannes Calvins
1.Korinther 14,34f.
34 Lasset eure Weiber schweigen unter der Gemeine; denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, dass sie reden, sondern sollen untertan sein, wie auch das Gesetz saget. 35 Wollen sie aber etwas lernen, so lasset sie daheim ihre Männer fragen. Es stehet den Weibern übel an, unter der Gemeine zu reden.
„Offenbar litt die korinthische Gemeinde auch an dem Missstande, dass man das Geschwätz der Weiber in heiliger Versammlung duldete. Darum verbietet Paulus den Frauen, öffentlich aufzutreten, um zu lehren oder zu weissagen. Doch erstreckt sich dieses Verbot nur darauf, dass in geordneten Gemeindeverhältnissen, die hier allein in Betracht gezogen werden, ein Weib kein regelmäßiges Amt bekleiden soll. In Notzeiten mögen sich je nach Bedürfnis wohl Ausnahmen ergeben.
34 „Sondern sollen untertan sein, wie auch das Gesetz saget.“ Was hat die Untertänigkeit, welches das Gesetz den Frauen auferlegt (1.Mose 3,16) mit dem vorliegenden Verbote zu schaffen? Warum sollte ein Weib nicht dem Manne gehorchen und doch lehrend auftreten können? Ich antworte, dass das Lehramt eine führende Stellung in der Gemeinde verleiht, welche mit der ehelichen Unterwerfung unverträglich erscheint. Wie unschicklich wäre es, wenn eine Frau, die ihrerseits von einem Gliede abhängig ist, die Leitung des ganzen Körpers übernehmen sollte! Eheliche Abhängigkeit und öffentliche Lehrautorität schließen sich gegenseitig aus. Und in der Tat hat man überall, wo man dem natürlichen Zuge der Wohlanständigkeit folgte, die Frauen zu öffentlichen Ämtern nicht zu gelassen. Das allgemeine Empfinden sagt uns, dass sich die Weiberherrschaft nicht ziemt.
35 „Wollen sie aber etwas lernen“ usw. Paulus möchte den Frauen durchaus nicht die Gelegenheit zum Lernen nehmen, nur sollen sie sich von einer öffentlichen Debatte fernhalten. Wenn er sie aber mit ihren Fragen an ihre Ehemänner verweist, so will er damit einer Unterredung mit den Propheten selbst nicht für alle Fälle wehren. Denn schwerlich waren alle Ehemänner so weit gefördert, dass sie ihren Frauen hätten genügend Rede und Antwort stehen können. Der Hauptnachdruck liegt lediglich darauf, was man als eine öffentliche Unschicklichkeit vermeiden soll. Indessen wird es einem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein, dass es sich hier um sogenannte Mitteldinge handelt, bei denen alles erlaubt ist, was den Anstand und die Erbauung nicht stört.“
Institutio IV,10,31 – es gibt „Gelegenheiten, wo ihr (der Frau) das Reden nicht weniger ansteht als sonstwo das Schweigen“
„Nun ist es aber die Pflicht des christlichen Volkes, das, was nach dieser Richtschnur [der Ehrbarkeit, 1. Kor. 14,40, bezogen auf das Verhüllen von Fauen in der Öffentlichkeit und das Verbot für Frauen in der Öffentlichkeit zu lehren] eingerichtet ist, zwar mit freiem Gewissen und ohne allen Aberglauben, aber doch mit frommer und gehorsamswilliger Neigung innezuhalten, es nicht verächtlich zu behandeln und nicht mit lässiger Nichtachtung zu übergehen. So wenig kann die Rede davon sein, daß es sie etwa aus Aufgeblasenheit oder Widerspenstigkeit offen verletzen dürfte!
Wieso kann nun aber, so wird man fragen, bei solcher Ehrerbietung und Behutsamkeit von einer Freiheit des Gewissens die Rede sein? Ja, allerdings! Sie wird herrlich bestehen, wenn wir in Betracht ziehen, daß es sich hier nicht um unveränderliche, ewige Festsetzungen handelt, an die wir gebunden wären, sondern um äußerliche Übungen der menschlichen Schwachheit, die wir zwar nicht alle nötig haben, aber doch alle ausführen, weil wir es einer dem anderen schuldig sind, untereinander die Liebe zu pflegen. Das läßt sich an den weiter oben aufgeführten Beispielen erkennen, wieso, besteht die Religion etwa in dem Kopftuch der Frau, so daß es eine Sünde wäre, wenn sie mit bloßem Haupte ausginge? Ist jenes Gebot von dem Stillschweigen der Frau (in der Gemeinde) etwa heilig, so daß man es nicht verletzen kann, ohne die schlimmste Missetat zu begehen? Steckt etwa im Kniebeugen (beim Beten) oder im Begräbnis der Leichname ein Geheimnis, so daß man es nicht ohne Sünde unterlassen könnte? Durchaus nicht! Denn wenn eine Frau, um ihrem Nächsten zu helfen, so große Eile nötig hat, daß sie infolgedessen ihr Haupt nicht verhüllen kann, dann tut sie keine Sünde, wenn sie mit unverschleiertem Haupte herzueilt. Auch gibt es Gelegenheiten, wo ihr das Reden nicht weniger ansteht als sonstwo das Schweigen. Nichts verbietet auch, daß einer, der durch Krankheit verhindert ist, die Knie zu beugen, stehend betet. Und endlich: es ist besser, einen Verstorbenen frühzeitig zu begraben, als daß man, wenn kein Leichenkleid vorhanden ist oder keine Leute da sind, um ihn zu geleiten, solange wartet, bis er unbeerdigt in Verwesung übergeht. Nichtsdestoweniger aber steht es mit diesen Dingen so, daß uns die Landesgewohnheit, die bestehenden Einrichtungen und schließlich das menschliche Empfinden und die Regel der Bescheidenheit schon in den Sinn geben, was zu tun oder zu meiden ist.“
Debora als Prophetin und Lehrerin
1.Timotheus 2,11f.
Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung.
12 Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie sich über den Mann erhebe, sondern sie sei stille.
13 Denn Adam ist am ersten gemacht, danach Eva.
14 Und Adam wurde nicht verführt; das Weib aber wurde verführt und ist der Übertretung verfallen.
„(…) denn Stille bedeutet auch Schweigen, damit sie sich nicht das Amt, in der Öffentlichkeit zu sprechen, anmaßen. Das setzt der Apostel alsbald klarer auseinander, wenn er ihnen das Lehren verbietet. Er will ihnen das Amt, ihre Familie zu unterrichten, nicht nehmen. Aber von dem Amt des Lehrens, das Gott allein den Männern übertragen hat, hält er sie fern (vgl. auch zu 1.Kor. 14,34). Wollte uns jemand Debora und ähnliche entgegenhalten, von denen wir lesen, dass sie ein mal durch einen göttlichen Auftrag dem Volk zur Leitung vorgesetzt worden sind, so können wir ihnen leicht antworten: Durch außerordentliche Maßnahmen Gottes wird die gewöhnliche Ordnung, an die er uns gebunden wissen will, nicht umgestoßen. Wenn deshalb Frauen, durch Gottes Geist dazu erweckt, einmal die Stelle eines Propheten und Lehrers innegehabt haben, konnte er das tun, der frei ist von allem Gesetz. Aber weil das eben etwas Besonderes ist, stößt er die ständige gewöhnliche Ordnung nicht um.“
Frauen, „berufen so gut wie die Männer“
Calvin schreibt an die gefangenen Frauen in Paris, 16. September 1557:
„(…) Da es nun aber Gott gefallen hat, Euch zu berufen so gut wie die Männer (denn vor ihm gilt nicht Mann noch Weib), so müßt Ihr auch Eure Pflicht tun und ihn verherrlichen nach dem Maß der Gnade, die er Euch gegeben, so gut wie die größten Helden, die er mit hoher Weisheit und Stärke ausgerüstet hat. Da Jesus Christus für Euch gestorben ist und Ihr durch ihn auf Eure Seligkeit hofft, da Ihr getauft seid auf seinen Namen, so dürft Ihr auch nicht feig sein und müßt ihm die Ehre erweisen, die ihm gebührt. Da wir alle zusammen unser Heil haben in ihm, müssen wir auch einmütig, Männer wie Frauen, seine Sache führen. (…)
Er (Gott) hat verheißen, Stärke und Festigkeit zu geben denen, die sich auf ihn verlassen. Er hat seinen Geist ausgegossen und läßt weissagen Söhne und Töchter, wie er es verheißen hat durch den Propheten Joel [3, 1] als ein Zeichen, daß er seine Gnade gleichmäßig austeilt und weder Söhne noch Töchter, weder Männer noch Frauen ohne die Gaben läßt, die nötig sind, um seine Ehre zu wahren. Deshalb dürfen wir nicht zu träge sein, sie von ihm zu verlangen, nicht zu feig, sie von ihm anzunehmen und, wenn er sie uns gegeben hat, sie zu gebrauchen, wie es not tut. Betrachtet doch die Stärke und Festigkeit der Frauen beim Tode unseres Herrn Jesu Christi; die Apostel hatten ihn verlassen, sie blieben bei ihm in wunderbarer Standhaftigkeit, und eine Frau wurde die Botin, die den Aposteln die Auferstehung verkündigte, und sie konnten ihr nicht glauben und sie nicht verstehen.
Wenn Gott die Frauen damals so zu Ehren gezogen und ausgerüstet hat mit Kraft: glaubt Ihr, er habe jetzt weniger Macht oder er habe seinen Willen geändert? Wieviel Frauen haben ihr Blut und Leben nicht geschont zur Verteidigung des Namens Jesu Christi und zur Verkündigung seines Reiches! Hat Gott ihr Martyrium nicht Nutzen schaffen lassen? Ist ihr Glaube nicht der Sieg gewesen, der die Welt überwunden hat, so gut wie der der männlichen Märtyrer? Und ohne mich auf weiteres einzulassen - haben wir es nicht auch heute vor Augen, wie Gott täglich wirkt durch das Zeugnis von Frauen und seine Feinde bestürzt macht, so daß es keine wirksamere Predigt gibt als die Festigkeit und Beharrlichkeit, die sie gezeigt haben im Bekenntnis des Namens Christi?“
Glaube und Zeugnis von Frauen – Frauen als Lehrmeisterinnen der Jünger
„Wenn es also heißt, Christus sei dem Petrus zuerst erschienen, so muß man ergänzen: zuerst unter allen Männern. Darum steht mit dieser Aussage der Bericht des Markus, daß Christus zuerst von Maria gesehen worden sei (Mark. 16,9), nicht in Widerspruch.“
(Calvin, Kommentar zu 1.Kor. 15, 5, S. 450)
Aus einer Osterpredigt Johannes Calvins zu Matthäus 28,1-8
„Man könnte es auf den ersten Blick seltsam finden, daß unser Herr Jesus den Frauen und nicht den Jüngern erschien, wenn er seine Auferstehung als gewiß bezeugen wollte. Dabei haben wir aber zu bedenken, daß er die Demut unseres Glaubens prüfen wollte. Denn wir sollen uns nicht auf menschliche Weisheit gründen, sondern ganz gehorsam annehmen, was, wie wir wissen, von ihm kommt. Andrerseits hat er auch ohne Zweifel die Jünger strafen wollen, wenn er ihnen Frauen zur Belehrung sandte; die Unterweisung, die sie aus seinem Mund empfangen hatten, hatte ihnen ja im entscheidenden Augenblick nichts genützt. Sie haben sich ja zerstreut, haben ihren Meister verlassen und sind ganz verstört vor Furcht. Was hatten sie nun davon, daß sie drei Jahre und drüber in der Schule des Sohnes Gottes gewesen waren? Solche Laxheit verdiente wahrhaftig harte Strafe, alle Erkenntnis, die sie früher empfangen hatten, sollte man ihnen nehmen, weil sie sie ja doch gleichsam mit Füßen getreten und begraben hatten. Aber unser Herr Jesus wollte sie nicht mit Strenge strafen und hat ihnen doch ihren Fehler milde zurecht gewiesen: Frauen hat er zu ihren Lehrmeisterinnen gemacht. Sie waren einst erwählt worden, um das Evangelium in aller Welt zu verkünden (es sind in Wahrheit die ersten Doktoren der Kirche); aber weil sie so leichtfertig sich verlieren konnten, so daß ihr Glaube ertötet schien, darum mußten sie zu der Einsicht gebracht werden, daß sie eigentlich keines einzigen Lehrworts unsers Herrn Jesus Christ wert seien. Darum also wurden sie an die Frauen gewiesen, bis sie ihren Fehler recht eingesehen hätten, und Jesus Christ hat sie in ihren alten Stand und auf eine frühere Stufe zurückversetzt, und war dabei noch gnädig. Im übrigen sind damit (wie gesagt) wir alle ganz allgemein angewiesen, von Gott gesandtes Zeugnis anzunehmen, auch wenn die verkündenden Menschen niedern Standes, ohne Ansehen und Weltruf sind.
Aus: Johannes Calvin. Diener am Wort Gottes. Eine Auswahl seiner Predigten übersetzt von Erwin Mühlhaupt, Göttingen 1934, 110-119
Frauen in der Diakonie
Als eins der vier Dienste (Ämter) neben dem des Pastoren, Lehrers und der Ältesten gehört das Diakonat in jede reformierte Gemeinde. Römer 16,1-2 bezeichnet Phöbe als diaconus. Calvin ignorierte die Zuschreibung dieses Titels auf eine Frau nicht. In seiner Auslegung der verschiedenen Bibelstellen, die diakonische Tätigkeiten beschreiben, zeigt Römer 12,8, wie die Männer in Apostelgeschichte 6 und 1. Timotheus 3 mit Phöbe und den Witwen verwandt sind. In einem einzigen Diakonat gibt es zwei Formen „diakonischer Amtstätigkeit“. „Die Männer verwalten das Geld und die Frauen kümmern sich persönlich um die Kranken“, fasst Elsie A. McKee Calvins Ausführungen zusammen. Das Besondere des Calvinismus an dieser Stelle: „Als einzige Protestanten“, so McKee, billigten die Reformierten den Frauen eine Rolle in den regulären Fürsorgeämtern zu. Calvin habe in seinen Predigten über 1. Timotheus 5 zwar davor gewarnt, „dass der Rang der weiblichen Diakone bedeutend niedriger als der der männlichen Amtsträger oder Diener des Wortes sei“, aber dass er die weiblichen und die männlichen Dienste „überhaupt miteinander vergleicht, ist in der Tat bemerkenswert.“
Familienarbeit nicht gering schätzen
»Es muss weiter festgehalten werden, dass es verschiedene Arten von Arbeit gibt. Wer mit seinem Fleiß die menschliche Gemeinschaft unterstützt – sei es, dass er eine Familie versorgt, öffentliche oder private Ämter versieht, Rat erteilt oder lehrt oder irgendetwas anderes tut –, darf nicht unter die Müßiggänger gezählt werden. Paulus [›So jemand nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen‹] tadelt die untätigen Drohnen, die von den Anstrengungen anderer Menschen leben, während sie selbst keinen Handschlag tun, um dem Menschengeschlecht zu nützen.«
(Kommentar zu 2. Thess 3,10 von 1550)
„Wie sehr es auch scheint, es sei eine schäbige Sache, wenn ein Mensch da ist, um zu nähren oder um irgendetwas anderes zu machen und zu arbeiten, dann ist doch soviel sicher, dass das ein Dienst ist, en Gott höher schätzt, als wir es uns vorstellen können.“
(Predigt über Genesis 25f., um 1560)
II. Gleichstellung vor Gott – Unterordnung der Frau in der Ehe
1. Korinther 11,3.7
3 Ich lasse euch aber wissen, dass Christus ist eines jeglichen Mannes Haupt; der Mann aber ist des Weibes Haupt; Gott aber ist Christi Haupt. (…)
7 Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken, sintemal er ist Gottes Bild und Ehre,; das Weib aber ist des Mannes Ehre.
„(…) schwieriger ist die Frage, warum zwischen Christus und das Weib noch der Mann eingeschoben wird, sodass das Weib gar nicht Christum unmittelbar als Haupt zu haben scheint. Lehrt doch derselbe Apostel an einer anderen Stelle (Gal. 3,28), dass in Christo der Unterschied zwischen Mann und Weib seine Bedeutung verloren [habe]. Warum richtet er hier einen Unterschied auf , den er dort leugnet? Ich antworte: jede Stelle muss man aus ihrem Zusammenhange verstehen. Handelt es sich um Christi geistliches Reich, so schwindet jeder Unterschied zwischen Mann und Weib: hier gilt kein Ansehen der Person; denn dieses ewige Reich Christi ist ganz und gar geistlich und hat mit der irdischen sozialen Ordnung nichts zu schaffen. In diesem Sinne schwindet auch der Unterschied zwischen Sklaven und Herren. Dennoch liegt dem Apostel nichts ferner, als die bürgerliche Ordnung umstoßen oder die in diesem Leben unentbehrlichen Abstufungen der sozialen Stellung aufheben zu wollen. (…)
7 … Hier aber ist wiederum von der Ordnung innerhalb der Ehe, nicht von unserem Verhältnisse zu Gott die Rede …“
Die Frau als Hilfe des Mannes und die gegenseitige Pflicht
1.Mose / Genesis 2,18
18 Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.
„Diese Worte enthüllen Gottes Absicht bei der Erschaffung des Weibes: es sollen Menschen auf Erden sein, die Gemeinschaft untereinander pflegen. (…)
Übrigens dünkt mich, dass dies Wort des Herrn … nicht bloß für Adam gilt. Es ist ein allgemeingültiger Satz, den ein jeder Mensch auf sich beziehen mag.(…)
Ich will ihm eine Gehilfin machen
Man könnte fragen, warum nicht, wie vorher bei der Schöpfung des Mannes, in der Mehrzahl gesagt wird: „Lasset uns machen!“ Einige Ausleger glauben, dass damit der Unterschied beider Geschlechter herausgehoben und der Vorzug des Mannes vor dem Weibe gezeigt werden soll. Da aber in der Person des Mannes das ganze Menschengeschlecht geschaffen ward, so bezeichnete das erhabene Wort: „Lasset uns Menschen machen!“ – bereits die gemeinsame Würde alles menschlichen Wesens, ohne dass bei der Schöpfung des Weibes , die ja nichts anderes als ein Anhang zu der des Mannes ist, eine Wiederholung nötig gewesen wäre. Indem nun Gott das Weib als Gehilfin des Mannes bezeichnet, schreibt er auf der einen Seite den Eheweibern die Regel ihres Berufs vor und erinnert sie an ihre Pflicht, andererseits prägt er aber auch ein, dass für die Männer der Ehestand die beste Hilfe im Leben ist. So ist es eine Naturordnung, dass das Weib des Mannes Gehilfin ist. (…)
Die Frauen mögen bedenken, dass es gilt, eine Gottesordnung zu beobachten, indem sie ihren Männern helfend zur Seite stehen. Die Männer mögen bedenken, was sie ihrerseits dem andern Teil des Menschengeschlechts schulden. Der Mann soll sich als Haupt und Führer bewähren. Die Pflicht der beiden Geschlechter ist eine gegenseitige. (…)
21 … Absichtlich wählt Mose den Ausdruck, dass Gott ein Weib aus der Rippe baute. Er will zu verstehen geben, dass erst mit der Erschaffung des Weibes das Menschengeschlecht ganz vollendet ward, nachdem es vorher einem angefangenen Gebäude glich. Andere denken, was nicht allzu weit davon entfernt ist, an den Ausbau des Familienlebens.“
Ehe und Ehescheidung
Matthäus 19,5: Zitat Gen 2,24: „Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und werden die zwei ein Fleisch sein“?
„(…) Der Mann soll also so mit seiner Frau leben, dass einer den andern pflegt wie einen Teil seiner selbst. Der Mann soll so herrschen, dass er das Haupt der Frau, nicht aber ihr Tyrann ist; die Frau soll sich dagegen bescheiden und gehorsam unterordnen.“
Matthäus 19,9: „Ich aber sage euch, wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn um der Hurerei willen, und freit eine andere, der bricht die Ehe.“
„Bemerkenswert ist auch, dass beide Teile das gleiche Recht haben, so wie das eheliche Gelöbnis ja auf Gegenseitigkeit beruht. Denn während in andern Dingen der Mann das entscheidende Wort hat, so wird er, was die eheliche Gemeinschaft betrifft, der Frau gleichgestellt; denn er ist nicht der Herr seines Leibes. Darum ist auch der Frau ihre Freiheit zurückgegeben, wenn ein Mann durch Ehebruch die Ehe zerstört.“
Weiteres zum Thema unter der Überschrift Kirchenzucht als Frauenbefreiung?!“ >>>
III Der „Sündenfall“: Adam ist nicht das „Opfer der Rache seiner Frau“
1.Mose / Genesis 3,6
… Und er aß …
„Wie kurz lautet dieser Bericht! Es gibt vielleicht zu verstehen, dass auf Adam die Lockungen des Weibes mehr Eindruck gemacht haben als die Verführungskünste des Satans. Man hat sich dafür auf ein Pauluswort berufen (1.Tim. 2,14): „Adam ward nicht verführt, das Weib aber ward verführt und hat die Übertretung eingeführt.“ Aber an dieser Stelle redet Paulus nur vergleichsweise, um den Ursprung des Bösen auf das Weib zurückzuführen. Adam hat also nicht bloß in Nachgiebigkeit gegen das Weib das ihm gegebene Gebot übertreten, sondern hat sich ihres Abfalls voll mitschuldig gemacht, indem er sich in ihr ehrgeiziges Gelüste hineinziehen ließ. Anderwärts sagt ja auch Paulus nicht, dass durch Eva, sondern durch Adam selbst die Sünde in die Welt gekommen sei (Röm. 5,12). Auch das Gott alsbald vorwurfsvoll ausruft: „Siehe, Adam ist geworden wie unsereiner“ – beweist klar genug, dass auch bei ihm die törichte böse Lust sich eingeschlichen hatte und dass er den verfänglichen Reden des Teufels mehr Glauben geschenkt hat als Gottes heiligem Wort.“
1.Timotheus 2,14
14 Und Adam wurde nicht verführt; das Weib aber wurde verführt und ist der Übertretung verfallen.
Zu Vers 14 – gegen die Auslegung, Adam sei nur ein Opfer der „Ränke seiner Frau“ geworden: „(…) Sie meinen, nur die Frau sei durch die List Satans getäuscht worden, Adam habe nur die Frucht gegessen, um seiner Frau zu Willen zu sein. Aber diese Meinung kann man leicht widerlegen. Hätte Satans Lüge keinen Glauben bei Adam gefunden, so hätte Gott ihn nicht gestraft: „Siehe, Adam ist geworden wie unsereiner“ (1. Mose 3,22).“
IV Frauen in der Urgemeinde, Kolleginnen des Apostel Paulus
Prisca und Aquila
Römer 16, 3: „Grüßt Prisca und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus.“
„(…) Es ist eine außerordentliche Ehre, die [Paulus] hier Prisca und Aquila erweist, besonders der Frau. Um so mehr erstrahlt die Bescheidenheit des heiligen Mannes, der sich nicht scheut, im Werk des Herrn eine Frau als Mitarbeiterin neben sich zu haben, und nicht errötet, dies offen auszusprechen “
Junia, die Apostolin
Römer 16,7: „Grüßt Andronikus und Junia, meine Volksgenossen und Mitgefangenen, die rühmlich bekannt sind unter den Aposteln und schon vor mir in Christus waren.“
„(…) Wenn er sie an dritter Stelle Apostel nennt, greift er zu dieser Bezeichnung nicht im eigentlichen und gebräuchlichen Sinn, sondern erweitert sie auf alle, die nicht nur eine Gemeinde gründen, sondern Mühe darauf verwenden, das Evangelium überall zu verbreiten. An dieser Stelle jedenfalls nennt er all die in einem allgemeinen Sinn Apostel, die die Heilsbotschaft an verschiedene Orte gebracht und Gemeinden ins Leben gerufen haben (…) Weil nun [Andronikus und Junia] das Evangelium früher im Glauben angenommen hatten als Paulus, zögert er nicht, ihnen in dieser Hinsicht vor sich selbst den Vorrang zu geben.“
V Eine König als Amme der Kirche: Königin Elisabeth von England (1558-1603)
Calvin widmete Königin Elisabeth die zweite Auflage seines Jesaja-Kommentars und sandte ihr das Buch 1559 als Krönungsgeschenk. Die erste Auflage hatte er Elisabeths Bruder, König Eduard gewidmet. Nach dem Tod der Maria Tudor, der „Blutigen Maria“ 1558 verbanden die Evangelischen große Hoffnung mit Elisabeth.
„Wenn dir der Satan viele große Hindernisse in den Weg stellen und dich dadurch ängstlich und untätig machen will, so weißt Du wohl, woher Du Mut erhalten kannst zu energischem Fortfahren, einen Mut, der alle Hindernisse überwindet, und Gott, der schon gewöhnlicher Leute Wirken seines Segens würdigt, wird auch Dein Werk nicht ohne den wünschenswerten guten Erfolg lassen. Es muss Dich, hochverehrte Königin, Dein Pflichtbewusstsein dazu treiben; denn nicht nur von den Königen verlangt Jesaja, dass sie die Pfleger der Kirche, sondern auch von den Königinnen, dass sie ihre Säugammen sein sollen [Jes. 49,8]. Diese Pflicht kannst Du erfüllen, nicht nur in einer erneuten Reinigung vom Schmutz des Papismus und in der Pflege der Herde, die sich noch bis vor kurzem ängstlich verborgen halten musste, sondern auch in der Rückberufung der Vertriebenen, die lieber das Vaterland entbehren wollten als in der Heimat wohnen“
(Genf, 15. Januar 1559)
Entschuldigung wegen John Knox’ Schrift über das englische Weiberregiment
John Knox hatte während seines Aufenthalts in Genf seine in erster Linie gegen Maria, die Blutige gemünzte Schrift verfasst: „Erster Trompetenstoß wider das ungeheuerliche Weiberregiment“. Diese hatte auch Elisabeth von England verletzt. Die Überreichung des Jesaja-Kommentars war ihr nicht genehm, sie wies das Geschenk ab.
Brief Ende März 1559 an Lord William Cecil Burleigh, Großschatzmeister von England:
Calvin versicherte, das Buch von Knox nicht zu kennen, die Verbreitung seiner “paradoxen Behauptungen“ gefalle ihm nicht.
„Vor mehr als zwei Jahren fragte mich John Knox in einem Privatgespräch, was meine Ansicht über eine Frauenregierung sei. Ich antwortete offen, es sei eine Abweichung von der ursprünglichen, wahren Naturordnung und deshalb unter die Strafen des menschlichen Sündenfalls zu rechnen, wie z.B. auch die Sklaverei. Übrigens seien aber zuweilen einzelne Frauen so begabt gewesen, dass der Segen, der von ihnen ausstrahlte, deutliche zeige, dass sie unter göttlichem Schutze auftraten, entweder weil Gott durch solche Beispiele die Feigheit der Männer beschämen oder seine Herrlichkeit deutlicher ans Licht stellen wollte. Ich führte dafür die Prophetin Hulda [2. Kön. 22,14] und Deborah [Richter 4 u. 5] an. Ich fügte noch bei, nicht umsonst verheiße Gott durch Jesajas Mund [49,23], Königinnen würden die Säugeammen der Kirche sein; denn durch dieses Vorrecht würden sie deutlich von den gewöhnlichen Weibern unterschieden. Endlich schloss ich damit, da es nach Sitte, öffentlicher Meinung und langjährigem Brauch herkömmlich sei, dass nach dem Erbrecht Königreiche und Fürstentümer auch an Frauen fielen, so scheine es mir nicht gut, an die Frage zu rühren, nicht nur weil die Sache selbst heikel sei, sondern weil es meines Erachtens nicht erlaubt sei, Regierungsgewalten, die durch Gottes besondere Vorsehung eingesetzt seien, zu stürzen“.
VI Rede von Gott in weiblichen Metaphern
Gott als Henne / Glucke
Zu Joh 15,4
V. 4. „Bleibet in mir...“ Wieder mahnt er sie, die Gnade, mit der sie begabt sind, mit sorgendem Eifer festzuhalten. Das Fleisch kann gar nicht oft genug aus seiner Sicherheit aufgerüttelt werden. Ohne Zweifel hat Christus nichts anderes im Sinn, als uns bei sich festzuhalten - wie eine Glucke ihre Küchlein unter ihren Flügeln hält -, damit wir nicht aus Leichtsinn in unser Verderben von ihm forteilen.
(Biblische Herkunft: Lk 13,34 /( Mt 23,37)
34 Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder sammeln wollen wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt.“ (vgl. Lk 11,47; Dtn 32,11; Ps 91,4))
Mt 23,37 bei Calvin: väterliche Fürsorge und mütterliche Liebe
„Das bedeutet, dass uns niemals Gottes Wort verkündigt wird, ohne dass er selbst uns mit mütterlicher Liebe sein Herz öffnet, und damit nicht genug, dass er sich zu dem demütigen Eifer einer Henne herablässt, um seine Küklein zu hegen. (…) Was kann denn Gott dazu bewegen, sich um unsertwillen so tief herabzulassen? Schon wenn er sich unter dem Bild einer Mutter darstellt (vgl. etwas zu Jes. 49,15; 66,13), steigt er tief unter seine Herrlichkeit hinab, wie viel mehr erst, wenn er sich mit einer Henne verglicht und uns würdigt, wie seine Küken zu sein!“
Psalm 91,4: Calvin zu den Fittichen einer Henne
„Um aber unsrer Schwachheit entgegenzukommen, steigt er unbedenklich gleichsam von seiner himmlischen Herrlichkeit herab und lädt uns unter dem Bilde einer Henne schmeichelnd zu sich ein.“
Gott – wie eine Amme
Gott steigt herab, mit uns zu reden:
„Gott macht sich gleichsam ähnlich einer Amme, die nicht zu einem kleinen Kind spricht, wie sie es zu einem Erwachsenen täte […] unser Herr hat sich so auf vertraute Art und Weise uns angepasst“
(CO 28, S. 441 / Thiel, Erziehung)
Barbara Schenck
Biografie, Theologie und Politik in Frauensachen. Eine Sammlung von Texten und Links auf reformiert-info