Durchaus kritisch geht der johanneische Jesus hier vor. Er geht nicht gerade höflich mit seinen Zuhörern um. Genau genommen geht er ziemlich mit ihnen ins Gericht. Dabei sind sie doch auf dem richtigen Weg.
Immerhin lässt sich erahnen, dass sie fleißige Bibelleser sind: „Ihr sucht in der Schrift“.
Um wie viel mehr würde der Schreiber des Johannesevangeliums wohl mit uns heutigen umgehen?
Da wird doch hier und dort nach dem richtigen Weg gesucht. Je exotischer die Antwort, desto besser ihr Wert.
Überall, aber doch nicht in der Bibel wird nach Sinn und Erfüllung des Lebens gesucht.
Würde der Schreiber des Evangeliums aber wirklich so hart mit heutigen Nicht-Lesern umgehen?
Ist sein Anliegen wirklich damit zu erfassen, dass er sagt: „Lies die Bibel und alles wird gut?“
Nun gut, bei einer so zugespitzten Frage erwarten sie selbstverständlich keine positive Antwort.
Und ich gebe zu: Eine derartige Aussage lässt sich, selbst zugespitzt, in der ganzen Bibel nicht finden.
Dennoch ist zu fragen: Wenn selbst intensiven Bibellesern offenbar nicht gelingt, was verlangt ist, wie soll man es denn dann eigentlich halten?
Oder ist es schlichtweg einerlei, wie man sich zur Bibel verhält, weil es für den Menschen sowieso nur schlecht enden wird?
Beim Bibellesen kommt es nicht darauf an, dass wir möglichst viel auf einmal lesen, sondern dass wir immer wieder bei dem Gelesenen stehen bleiben und uns einfangen lassen, darüber nachzudenken. Wir glauben ja nicht an die Bibel. Wir glauben vielmehr dem Evangelium von Jesus Christus, so wie wir es in der Schrift bezeugt bekommen haben. Die Bibel ist nicht Gottes Wort. Die Bibel ist Zeugnis von Gottes Wort, welches Jesus Christus ist, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen haben.
Daher ist das Christentum keine Buchreligion.
Sondern es ist eine Geschichtsreligion, die die Geschichte Gottes mit den Menschen erzählt.
Im Erzählen tut sich dann Wahrheit auf.
Im Bibellesen wird mir ein Text zum Evangelium, weil ich in ihm die Zuwendung und Gnade Gottes erfahre. Weil ich merke, dass ich gemeint bin.
So wird also das Evangelium.
Es ist nicht.
Es wird.
Genauso wie Gott nicht ist, sondern wird.
Und für das Werden Gottes ist die Lehre von der Trinität das beste Beispiel.
Gott ist in sich selbst eine Geschichte.
Und diese Geschichte wird als eine Geschichte zwischen Vater und Sohn erzählt.
Als eine Geschichte zwischen Vater und Sohn, in der Heilige Geist, das Band dieser Beziehung ist.
Und als Band sorgt der Heilige nun auch dafür, das die Verbindung zu uns (vermittelt durch die Schrift) zustande kommt.
Im vorliegenden Evangeliumstext wird nun noch eine andere Verbindung betont. Es ist die Verbindung zwischen Mose und Jesus.
Ohne das Alte Testament können wir keine Christen sein.
Nur so kann uns die Schrift als Zeugnis des Wortes Gottes, zum Evangelium, werden.
Da geht es nicht nur ums Lesen, sondern vor allen Dingen um um ein Hören.
Ein Hören, dass mich hinein nimmt in die Geschichte Gottes mit seinen Menschen.
Ein Hören, dass mich mitnimmt, weil ich ein vom Evangelium getroffener Mensch bin.
Ein Mensch, der um dieses Evangeliums willen zusammenbringt und nicht auseinander reißt. Der für Verständigung eintritt und nicht spaltet. Der Gnade vor Recht ergehen lässt. Und der seine Nächsten nicht bei seinen Taten behaftet, sondern davon ausgeht, das das Evangelium auch ihn verwandeln kann.
Gebe Gott, dass wir zu solchen Menschen werden.
Quelle: Weblog Pastorenstückchen von Pfarrer Knut Dahl, 26. Juni 2011 >>>
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