Denn nicht das, was ich will, mache ich

Notat to go. Von Barbara Schenck

Ein angenehmer Spätsommernachmittag. Wunderbar! Jetzt am besten unterm Nussbaums sitzen und in einem Roman versinken. Aber: Der Schreibtisch ruft. Was bringt einen freien Christenmenschen dazu, sich ins stickige Arbeitszimmer zu trollen?

Rebellion gegen die Konzeption des Guten, meint der Philosoph John Perry. Er argumentiert ganz logisch. Die Beweisführung des Professors, der morgens aufsteht, um pünktlich im Hörsaal zu sein, obwohl es so angenehm ist, unter der Bettdecke zu liegen, hört sich übertragen auf mein Redakteurin-Sein so an:

Warum gehe ich zum Schreibtisch? Angenommen, meine LeserInnen würden es gar nicht als unangenehm empfinden, diesen Mittwoch keine neue Kolumne vorzufinden, so möchte ich trotzdem nicht in den Ruf geraten, eine faule Redakteurin zu sein. Was mich zu der Frage bringt: Welche Persönlichkeit möchte ich wirklich sein? Eine Sklavin der Konventionen? Oder nicht lieber eine echte Persönlichkeit, die den Zauber des Augenblicks vollkommen erlebt?
Perry: „Wenn wir nicht tun, was wir für das Beste halten, so deshalb, weil wir gegen die Konzeption des Guten rebellieren, die hier implizit ins Spiel kommt.“

Nun ja, ein bisschen Sommerspaß muss sein! Ernster wird’s andernorts, wo die Hand einfach nicht den Euro gib, wenn der Mund der Redakteurin verschlossen bleibt vor antijüdischen Leserbriefen.

„Das Bessere seh und erkenn ich: Schlechterem folgt mein Herz“. Der Satz Ovids ist der Ausgangspunkt für Perrys Nachdenken. Jetzt ist’s an der Zeit, den etwas jüngeren antiken Denker Paulus zu lesen: Römer 7, aber nicht ohne Römer 8. Der Apostel will nicht, dass wir zerknirscht in der Sünde Elend resignieren: Der Geist hilft unserer Schwachheit auf.

Der Nussbaum ruft arg laut. Wer bis hierher gelesen hat, kann selber weiterdenken, besser natürlich: handeln. Ich folg‘ derweil dem Motto – frei nach Peter Bukowski: Zwischen dem Besseren und dem Schlechteren liegt etwas.

Quellen:
Wie komplex ist meine Motivation? John Perry im Gespräch mit Alexandre Lacroix, in: Philosophie Magazin Nr. 5 August/September 2014, 54f.
Peter Bukowski im Predigerseminar: „Zwischen Alles oder Nichts ist etwas.“

Barbara Schenck, 20. August 2014 (Diese Kolumne wurde im August von der Urlaubsvertretung aus damals aktuellem Anlass verschoben. Jetzt ist Barbara Schenck noch weit vom Nussbaum und vom Schreibtisch entfernt, aber wir können sie uns gut dort vorstellen - im Zwiespalt erst und dann doch als treue Kolumnistin)